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Dies war der Druck, der jetzt schon seit drei Tagen und drei Nächten ungemindert anhielt, seit der Schneefall eingesetzt hatte. Die Tatsache, daß trotz dieses Drucks bisher alles funktioniert hatte, machte eine Notiz noch aufreizender, die Mel vor fünfzehn Minuten durch einen Boten erhalten hatte. Die Notiz lautete: m—

meine müßt warnen — Schneeausschuß (auf drängen vern demerst — warum kann ihr Schwager sie nicht leiden?) reicht kritischen bericht ein weil schneeräumung roll- und taxibahnen (sagt v. d.) miserabel, unfähig---

bericht beschuldigt flughafen (also sie) hauptanteil an Verzögerung der abflüge zu haben . . . behauptet auch steckende 707 gäbe es nicht wenn taxibahnen früher und besser geräumt . . . deshalb werden jetzt alle gesellschaften bestraft, etc etc, sie verstehen schon . . . und wo stecken sie — in einer? (schneedrift meine ich) . . . steigen sie aus und holen mich bald zum kaffee ab. herzlichst t

Das »t« bedeutete Tanya — Tanya Livingston, Agentin für Passagierbetreuung der Trans America und Mels besondere Freundin. Mel las die Notiz noch einmal, wie er es mit Mitteilungen Tanyas im allgemeinen tat, die beim zweiten Lesen verständlicher wurden. Tanya, zu deren Aufgaben es gehörte, aufgebrachte Passagiere zu besänftigen und ähnliche Public-Relations-Probleme zu lösen, hatte etwas gegen große Buchstaben. (»Mel, ist es nicht wahr? Wenn wir die Großbuchstaben abschafften, gäbe es erheblich weniger Ärger. Sieh dir doch nur die Zeitungen an!«) Sie hatte sogar einen Mechaniker der Trans America gezwungen, von den Typen ihrer Schreibmaschine alle Großbuchstaben abzumeißeln. Ein Vorgesetzter hatte sich darüber aufgeregt, wie Mel erfahren hatte, und auf die strengen Richtlinien der Fluggesellschaft gegen willkürliche Beschädigung von Firmeneigentum hingewiesen, aber Tanya war damit durchgekommen. Im allgemeinen gelang ihr das.

Der Vern Demerst in ihrer Notiz war Kapitän Vernon Demerest, gleichfalls bei der Trans America. Er war nicht nur einer der dienstältesten Flugkapitäne der Gesellschaft, er war auch ein militanter Vorkämpfer der Air Lines Pilots Association, des Berufsverbands der Piloten, und in diesem Jahr Mitglied des Schneeausschusses der Fluggesellschaften auf Lincoln International Airport. Der Ausschuß inspizierte während der Schneeperioden Startbahnen und Taxibahnen und erklärte sie für betriebsbereit oder bemängelte ihren Zustand. Dem Ausschuß gehörte immer ein aktiver Flugkapitän an.

Zufällig war Vernon Demerest auch Mels Schwager und mit dessen älterer Schwester Sarah verheiratet. Die Sippe Bakersfeld hatte durch Vorfahren und Eheschließungen Wurzeln und Zweiglinien in der Luftfahrt, wie andere Familien einmal mit der Seefahrt verbunden waren. Die Beziehungen zwischen Mel und seinem Schwager waren jedoch wenig herzlich, und Mel hielt Vernon Demerest für eingebildet und anmaßend. Andere waren der gleichen Ansicht, wie er wußte. Kürzlich war es zwischen Mel und Kapitän Demerest zu einem erregten Wortwechsel auf einer Sitzung des Verwaltungsrats des Flughafens gekommen, auf der Demerest die Interessen des Pilotenverbandes vertrat. Mel vermutete, daß der kritische Bericht über die Schneelage — der anscheinend auf die Initiative seines Schwagers zurückging — die Vergeltung dafür war.

Mel machte sich wegen dieses Berichts keine großen Sorgen. Welche Mängel der Flughafen auch auf anderen Gebieten haben mochte, er wußte, daß sie mit dem Schneesturm ebenso gut fertig wurden wie andere Organisationen. Trotzdem war der Bericht ärgerlich. An alle Fluggesellschaften würden Exemplare verteilt werden, und morgen würden telefonische Rückfragen und Memoranden kommen, und es mußten Erklärungen abgegeben werden.

Mel vermutete, daß es ratsam sei, wenn er auf dem laufenden blieb, sich in Bereitschaft hielt. Er beschloß, sich zu vergewissern, wie die Dinge mit der Schneeräumung gegenwärtig standen, und gleichzeitig die blockierte Startbahn und das eingesunkene Düsenflugzeug der Aereo Mexican zu überprüfen, wenn er draußen auf dem Flugfeld war.

In der Schneekontrollstelle sprach Danny Farrow gerade wieder mit der Flughafenwartung. Als eine kurze Pause eintrat, warf Mel dazwischen: »Ich gehe jetzt ins Empfangsgebäude und fahre dann hinaus aufs Flugfeld.«

Ihm war eingefallen, was Tanya in ihrer Notiz über eine gemeinsame Tasse Kaffee geschrieben hatte. Zuerst würde er in sein Büro gehen und dann auf seinem Weg durch das Empfangsgebäude bei der Trans America hereinschauen, um sie zu sprechen. Der Gedanke belebte ihn.

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Mel nahm den privaten Fahrstuhl, der nur mit einem besonderen Schlüssel bedient werden konnte, um in die Verwaltungsetage im Zwischenstock zu fahren. Seine Büroräume lagen zwar verlassen, die Schreibtische der Stenotypistinnen waren aufgeräumt und die Schreibmaschinen zugedeckt, aber die Lichter brannten. Er ging in sein Privatbüro. Aus einem Wandschrank neben dem breiten Mahagonischreibtisch, den er tagsüber benutzte, nahm er einen dicken Mantel und ein Paar pelzgefütterte Stiefel.

Heute abend hatte Mel keine besonderen Verpflichtungen auf dem Flughafen. So sollte es auch sein. Er war nur während des größten Teils des dreitägigen Schneesturms hiergeblieben, um im Falle eines Notstands zur Verfügung zu stehen. Sonst, dachte er, während er sich die Stiefel anzog und verschnürte, wäre er längst zu Haus bei Cindy und den Kindern.

Oder etwa nicht?

Gleichgültig, wie sehr man sich um Objektivität bemühte, ging es ihm durch den Kopf, war es doch schwierig, sich über seine eigenen Motive völlig klar zu sein. Wenn der Schneesturm nicht gewesen wäre, hätte sich wahrscheinlich ein anderer Grund angeboten, um zu rechtfertigen, daß er nicht ginge. Tatsächlich schien es in letzter Zeit so, als ob nicht nach Hause zu gehen ihm zur Gewohnheit geworden sei. Sein Beruf war selbstverständlich eine Ursache dafür. Er bot reichlich Gründe, um zusätzliche Stunden auf dem Flughafen zu bleiben, wo sich in letzter Zeit für ihn schwierige Probleme ergeben hatten, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten des heutigen Abends. Aber — wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war — der Flughafen bot ihm auch eine Zuflucht vor den unaufhörlichen Streitereien zwischen Cindy und ihm, zu denen es neuerdings kam, sobald sie zusammen waren.

»Zum Teufel!« Mels Ausruf zerschnitt die Stille des Büros.

Er schlurfte in den pelzgefütterten Stiefeln zu seinem Schreibtisch. Ein Blick auf die getippte Notiz seiner Sekretärin bestätigte, was ihm gerade wieder eingefallen war. Heute abend fand wieder einmal eine dieser langweiligen Wohltätigkeitsveranstaltungen seiner Frau statt. Vor einer Woche hatte Mel widerwillig versprochen, daran teilzunehmen. Es war eine Cocktailparty mit anschließendem Essen in der Stadt, in der eleganten »Michigan Inn«. Um welchen wohltätigen Zweck es dabei ging, war in der Notiz nicht angegeben, und falls es je erwähnt worden war, so hatte er es vergessen. Das spielte aber auch keine Rolle. Die hohen Ziele, denen Cindy Bakersfeld sich widmete, waren bedrückend gleichartig. Die Würdigkeit wurde — wie Cindy es sah — durch das gesellschaftliche Ansehen der anderen Mitglieder des jeweiligen Wohlfahrtsausschusses bewiesen.

Glücklicherweise begann — um des Friedens mit Cindy willen — die Veranstaltung erst spät. Er hatte fast noch zwei Stunden Zeit, und in Anbetracht des herrschenden Wetters konnte es sogar noch später werden. Er würde es also noch schaffen, selbst wenn er erst das Flugfeld inspizierte. Danach konnte er in sein Büro zurückkommen, sich dort rasieren und umziehen und mit nur geringer Verspätung in der Stadt sein. Dennoch war es besser, wenn er Cindy warnte. Er griff nach dem Telefon und wählte seine Privatnummer.

Roberta, seine ältere Tochter, meldete sich.

»Hallo«, sagte Mel. »Hier ist dein alter Herr.«

Robertas Stimme klang kühl: »Ja, ich weiß.«

»Wie war's heute in der Schule?«

»Könntest du etwas genauer sein, Vater? Wir hatten verschiedene Fächer. Für welches interessierst du dich?«

Mel seufzte. Es gab Tage, an denen in seinem häuslichen Leben alles auf einmal zu zerbrechen schien. Er erkannte, daß Roberta in einer ihrer Launen war, die Cindy als rotzig bezeichnete. Verloren alle Väter, fragte er sich abrupt, die Verbindung zu ihren Töchtern, sobald die Mädchen dreizehn wurden? Vor noch nicht zwei Jahren hatte es so ausgesehen, als ob sie beide einander so nahe ständen, wie Vater und Tochter nur sein können. Mel liebte seine beiden Töchter herzlich — Roberta und ihre jüngere Schwester Libby. Gelegentlich wurde ihm bewußt, daß sie der einzige Grund waren, weshalb seine Ehe noch bestand. Was Roberta anging, so hatte er gewußt, daß sie als Teenager Interessen entwickeln würde, die er weder teilen noch völlig verstehen konnte. Er hatte sich darauf vorbereitet. Was er nicht erwartet hatte, war, daß er völlig ausgeschlossen oder mit einer Mischung aus Gleichgültigkeit und Herablassung behandelt wurde. Aber, um objektiv zu sein, er vermutete, daß die schärfer werdende Spannung zwischen Cindy und ihm mit dazu beigetragen hatte. Kinder waren empfindsam.

»Laß nur«, antwortete Mel. »Ist deine Mutter zu Hause?«

»Sie ist fortgegangen. Sie hat gesagt, wenn du anrufst, soll ich dir sagen, du müßtest sie in der Stadt treffen und wenigstens diesmal versuchen, nicht zu spät zu kommen.« Mel unterdrückte seine Gereiztheit Roberta wiederholte zweifellos nur genau Cindys Worte. Er konnte fast hören, wie seine Frau sie ausgesprochen hatte.

»Wenn deine Mutter anruft, dann sage ihr, ich könnte mich vielleicht etwas verspäten, aber das ließe sich nicht ändern.« Darauf folgte Stille, und er fragte: »Hast du mich verstanden?« »Ja«, antwortete Roberta. »Willst du sonst noch etwas, Vater? Ich habe noch Schularbeiten zu machen.«

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